Du wirst oft als fitteste Sportmoderatorin im deutschen Fernsehen bezeichnet – empfindest du das als Kompliment für dich oder spricht das eher gegen den Trainingszustand deiner Kollegen?

Dass ich das Image habe, liegt ja nicht daran, dass ich groß dafür trommle – so was liegt mir auch gar nicht. Meine Wurzeln sind eben im Sport und für mich steht über meinem Beruf als Sportjournalistin und -moderatorin, dass ich authentisch bin. Ich stehe nicht vor der Kamera, weil ich vor der Kamera stehen will, sondern weil ich etwas weitergeben will von dem Sport, der mich elektrisiert. Ich glaube, dass ich es einfach besser transportieren kann, wenn ich selbst weiß, dass es hart ist, nach Val Thorens mit dem Rennrad hochzufahren. Und von meinen Kollegen macht sowas eben niemand, obwohl manche von ihnen auf jeden Fall regelmäßig Sport betreiben.

Val Thorens war der Schlussanstieg dieses Jahr bei der L’Étape du Tour, bei der Hobbysportler eine Original-Tour-de-France-Etappe nachfahren. Wie hart war es denn für dich?

Ich bin gestorben drei Stunden lang, ich war mental noch nie so blau, aber dafür war ich auch am Stolzesten am Ende. Das war meine schwierigste Herausforderung bislang, aber auch mein größter Sieg, weil ich garantiert am meisten gelitten habe. 

„Es ist wunderschön, die Verbundenheit mit der Natur zu spüren. Dann kommen viele Gedanken, aber sie gehen auch wieder. Und ich bin nur ich.“

Annika Zimmermann arbeitet seit 2014 als Moderatorin fürs ZDF

Klingt so, dass du Spaß daran hättest, auf dem Rad zu leiden.

Wer leidet schon gerne? Aber Radfahren ist wie das Leben. Mal bist du langsam, mal bist du schnell, du hast Kurven, wo du nicht weißt was sich dahinter verbirgt, du musst dich immer anstrengen, dich überwinden, du musst manchmal länger was aushalten und es kann ganz schön schwer sein. Aber am Ende empfindest du pure Freude und pures Glück. Ich habe Höhen und Tiefen beim Radfahren, aber zum Glück deutlich mehr Höhen. Ich bin zum Beispiel eine totale Frierliese, weshalb ich mir natürlich, wenn es kalt und eklig ist, die Frage stelle, warum ich das eigentlich mache. Oder wenn ich die Gedanken an eine nervige Mail mit aufs Rad nehme. Aber nach einer halben Stunde habe ich den Ärger rauspedaliert und am Ende weiß ich schon gar nicht mehr, warum ich mich aufgeregt habe. Und wenn ich mich elf Stunden lang durch die Kälte bis ins Ziel gekämpft habe, wie zum Beispiel beim Ötztaler Radmarathon letztes Jahr, dann habe ich einfach ein fettes Grinsen im Gesicht und verspüre eine große Dankbarkeit. Darüber, dass mein Körper gesund ist und ich die Möglichkeit habe, solche Sachen zu machen.

Was geht in dir vor, wenn du solche epischen Runden auf dem Rennrad fährst?

Radfahren ist für mich wie für andere Meditation. Ich kann dabei zu mir selbst finden, in mir ruhen, was auch daran liegt, dass man dafür relativ viel Zeit braucht und sich diese auch bewusst nehmen muss. Aber ich nehme mir die Zeit, weil es mir wichtig ist. Es ist einfach wunderschön, die Verbundenheit mit der Natur zu spüren, den Wind, der dir um die Nase weht, sich auf den eigenen Atem zu konzentrieren. Dann komme viele Gedanken, aber sie gehen auch wieder. Und ich bin nur ich. Das ist genau das, was mir die große Energie am Ende gibt. Dann hat die Zeit auf dem Fahrrad diese unbeschreibliche Freiheit.

Hattest du dieses Gefühl auch, als du in deiner Jugend leistungsorientiert Leichtathletik gemacht hast?

Nein, das war ein Prozess. Ich habe, als ich sechs Jahre alt war, angefangen, sehr ambitioniert Sport zu treiben. Zehn Jahre lang und am Ende dann bis zu zehn Einheiten pro Woche – auch mit einem zweijährigen Ausflug in den Triathlon. Mit 16 Jahren habe ich dann aber gesagt: Hey Leute, ich gehe jetzt nach Australien, ich will das Leben kennen lernen, und Leistungssport, das ist bestimmt nicht mein Leben. Dafür muss ich auf zu viel verzichten, und ich habe nicht dieses Killergen, was ein richtig guter Leistungssportler braucht. Mein Credo beim Sport ist schon längst: Erlebnis vor Ergebnis!

Wann genau hast du dann die Leidenschaft zum Rennradfahren für dich entdeckt?

Das war tatsächlich durch einen Zufall. Ich habe für das Team Katusha-Alpecin einen Beitrag zur Saisoneröffnung gedreht – und dabei war ich mit ein paar Kollegen und Teammitgliedern zusammen Rennrad fahren. Ich hatte daraufhin im Sommer mit dem ZDF geplant, dass ich einen Bericht mache, wie es sich anfühlt, als Jedermann eine Tour-de-France-Etappe zu fahren. Aus dem Bericht wurde zwar nichts, aber ich hatte trotzdem entschieden, 2018 bei der L’Étape du Tour einfach mal mitzufahren. Ich wusste nicht, was da auf mich zukommt, weil ich noch nie auch nur in Ansätzen so lang gefahren bin. Am letzten der vier Anstiege, am Col de la Colombière rief ein Franzose mir zu: hey, jetzt hast du’s geschafft. In diesem Moment ist die ganze Intensität dieses Tages über mir zusammengebrochen und ich habe angefangen, hemmungslos zu heulen. Ich habe die kompletten zehn Kilometer auf der Schlussabfahrt bis ins Ziel gebraucht, um mich wieder zu sammeln. Und dabei habe ich gemerkt, dass das der Moment war, in der mich die Leidenschaft voll erwischt hat. Die große Liebe zu diesem Sport begann an diesem Berg. 

„Wenn es dann aber konkret darum geht, das eigene Auto stehen zu lassen, hört das Verständnis bei vielen schon wieder auf.“

Du bist Sportjournalistin, Buchautorin und musst alle zwei Wochen fürs ZDF-Morgenmagazin dann aufstehen, wenn andere Menschen gerade ins Bett gegangen sind. Wie schaffst du es, Sport in diesen Alltag zu integrieren?

Das ist immer eine Frage der Priorisierung. Wenn dir etwas wirklich wichtig ist, dann findest du auch die Zeit dafür. Wenn ich zum Beispiel wie jetzt erst in Hawaii bei der Triathlon-WM bin, habe ich dann eben die Laufschuhe dabei – und klar gehe ich dann eine Runde am Alii Drive laufen. Oder ich habe auch den Schwimmkurs getestet und war seit langem mal wieder im offenen Meer schwimmen. Und genau das hat am Ende auch den Effekt, dass man die ganze Geschichte mit anderen Augen sieht, Athleten dabei trifft und der Job einfach authentischer wird. Ich bin fest davon überzeugt, jeder kann Sport immer irgendwie integrieren. Man muss eben flexibel bleiben. Spaß haben. Keinen Zwang verspüren. 

Willst du genau das auch mit deinem Buch vermitteln? Dass Menschen ohne Zwang Spaß am Sport verspüren?

Der Titel des Buches heißt nicht um sonst „Fit und fröhlich“, weil das meine Lebenseinstellung, mittlerweile sogar mein Markenzeichen geworden ist. Das Buch ist eine Werkzeugkiste, in der jeder für sich etwas finden und entdecken kann. Jeder soll das machen, worauf er Spaß hat- und am Ende muss nichts perfekt sein. Ich gehe zum Beispiel nicht ins Fitnessstudio, um mich an Geräten auszupowern und habe deshalb Arme wie Pudding. Ist mir aber auch wurscht!

„Ich will etwas weitergeben von dem Sport, der mich elektrisiert.“

Ist es dir auch wurscht, wenn du als Rennradfahrerin von einem E-Biker überholt wirst?

Natürlich nicht! Ist doch klar, dass ich mich ärgere, wenn ich am Berg kämpfe und da fährt jemand scheinbar mühelos an mir vorbei. Als Rennradfahrerin habe ich E-Bikes fast naturgemäß mit großer Skepsis betrachtet, bis ich selbst mal auf einem gesessen bin. Und dann habe ich mich gefühlt wie ein Kind – und gedacht: wie cool ist das denn? E-Bikes sind einfach eine weitere Möglichkeit, Radfahren zu können, und das finde ich großartig! Es ist wie mit Vielem, das wir gerade gesellschaftlich diskutieren: Es ist nicht so, dass das eine falsch ist und das andere richtig. Such dir einfach, was für dich passt und finde damit deine Mitte!

Polarisierende Diskussionen finden ja auch beim Thema Mobilitätswandel statt. Wie fühlst du dich in einer Stadt wie Berlin als Radfahrerin?

Ich nehme schon wahr, dass das viele Menschen thematisieren. Ich selbst habe aber den Blick eines Autofahrers und den eines Radfahrers. Und wenn du Verständnis für die Bedürfnisse des anderen hast, dann gibt es im Straßenverkehr nur wenige Probleme. Leider ist es aber derzeit eher so, dass in unserer Gesellschaft jeder eigentlich nur an sich denkt, egal in welchem Punkt. Die meisten wissen ja, dass es richtig ist, nicht so viel Auto zu fahren. Wenn es dann aber konkret darum geht, das eigene Auto stehen zu lassen, hört das Verständnis bei vielen schon wieder auf.

Wie oft lässt du denn dein Auto stehen, wenn du in Berlin bist?

In einer Stadt wie Berlin macht es einfach keinen Sinn Auto zu fahren. Mit dem Auto brauchst du drei Mal länger als mit dem Fahrrad und findest keinen Parkplatz,. Du brauchst allerhöchstens mal ein Auto, wenn du zu IKEA musst, aber dafür gibt es dann Carsharing. Für mich gibt es eigentlich nur Gründe, um in einer Großstadt das meiste mit dem Rad zu machen. Und ehrlich gesagt, gibt es in Berlin auch eine gute Infrastruktur für Radfahrer. Natürlich geht es immer besser, wie Beispiele aus den Niederlanden zeigen. Aber wir kommen nur Schritt für Schritt voran und das geht natürlich am besten, wenn immer mehr Leute immer mehr Radfahren.

„In einer Stadt wie Berlin macht es einfach keinen Sinn, Auto zu fahren.“

Was würdest du denn konkret tun, um mehr Leute aufs Rad zu bringen?

Ich bin ja an der Bergstraße groß geworden und da gab es immer autofreie Sonntage. Das war großartig, weil wir die ganzen Straßen für uns hatten. Ich fände heute sowas auch für eine Großstadt in Berlin gut, weil viele mal aus ihrer Komfortzone rausmüssten. Das würde zum Nachdenken anregen – und viele würden bestimmt merken, wie schön eine verkehrsfreie Stadt ist und wieviel man wirklich problemlos mit dem Fahrrad erledigen kann.

Das Interview wurde veröffentlicht im Magazin karl, Ausgabe 4/2019.